Wie es ist, in einem Recyclinghaus zu wohnen…

(1)

Das Haus der Fa. Gundlach, in dem meine Partnerin, deren zwei Kinder und ich seit dem 01.09.2019 zur Miete wohnen, steht am Stadtrand von Hannover. Das Grundstück ist 280 m² klein. Das Haus hat drei Stockwerke und große Fenster. Dabei sieht es aus, wie ein U-Boot! 

Das besondere an diesem U-Boot ist das, was man gar nicht auf den ersten Blick erkennt. Es wurden hier nämlich viele gebrauchte Materialien verwendet – das Gebäude entstand sozusagen aus Müll. Die Fassade besteht aus gebrauchten Well- und Glasprofilen sowie Eternitplatten, das Dämmaterial aus alten Jutesäcken. Die Fenster stammen aus einem Jugendzentrum, das von Grund auf saniert wurde. Und das Holz, mit dem der Carport verkleidet ist, kommt aus einer Sauna. Unser Haus ist das vermutlich erste Recyclinghaus Deutschlands.

Als wir vor einigen Monaten darauf aufmerksam wurden und es uns anschauten, konnten wir mit der Begrifflichkeit Recyclinghaus noch gar nichts anfangen. Fakt war allerdings, dass wir uns sofort darin verliebten. 

Wir erfuhren, dass das Architekturbüro City-Förster dieses Haus entworfen, geplant und gebaut hatte und dass es von der Idee bis zur Fertigstellung drei Jahre brauchte. Wir erfuhren, dass allein durch die alten Fassadenteile 4500 Kilogramm an CO2 eingespart werden konnten. Wir erfuhren auch, dass das Konzept, das da hinter steht, Urban Mining heißt. 

Die Idee beim Urban Mining ist es, das Bauen nachhaltig zu machen. Rohstoffe sind bekannterweise endlich. Also warum sollte man abrissreife Gebäude nicht als Rohstofflager begreifen? Materialien wie Stahl, Stein oder Holz müssen nicht automatisch entsorgt werden. Man kann sie auch dafür nutzen, etwas Neues zu schaffen!

Meine Partnerin und ich bewarben uns als Mieter. Wider erwarten gewannen wir das Casting und zogen kurze Zeit später hier ein, gemeinsam mit dem Nachwuchs Tessa (13) und Theo (19). Wir bezahlen nicht mehr Miete als in dieser Gegend Ã¼blich.

Dabei war der Bau des Recyclinghauses mit Sicherheit wesentlich teurer, als der Bau eines normalen Hauses. Denn Bauteile mussten zunächst gerettet/geerntet/geborgen, dann aufgearbeitet/repariert und schließlich eingebaut werden.

Wir sind nach wie vor begeistert. Unser Mietobjekt ist wirklich toll. Wir haben sechs Zimmer: eine große Wohnküche, ein Schlafzimmer, zwei Kinderzimmer, ein Arbeitszimmer und ein Gästezimmer. Außerdem zwei Bäder und ein kleines Gäste-WC. Zusammen etwa 125 Quadratmeter. Die große Dachterrasse ist etwa 20 Quadratmeter groß. Ach ja, auch ein Carprot gehört noch dazu.

Am besten finden wir die vielen, kleinen Details. Die Einbauschränke in Flur und Küche wurden aus „alten“ Spanplatten vom Messebau gefertigt. Die Teppiche im Obergeschoss bestehen aus sog. Geisternetzen, die in Nord- und Ostsee geborgen wurden. Der Boden im Untergeschoss, eine Art Terrazzo, wurde aus alten Beton- und Ziegelresten gefertigt. 

In unserem Mietvertrag ist geregelt, dass die Architekten mehrmals im Jahr Besuchergruppen durchs Haus führen. Wir haben nichts dagegen. Teilweise kommen ganze Busladungen hier an. Die Besucher staunen. Zudem erfahren wir bei jeder Führung etwas Neues über unser Haus.

So stammen zwei Türen im Erdgeschoss aus einem alten Bauernhaus. Und die für den Spritzschutz über den Waschbecken verwendeten Kronenkorken, wurden mühsam in einer Hannoverschen Altstadtkneipe gesammelt. Hinter jedem (!) Detail verbirgt sich eine Geschichte. In welchem Haus gibt es das schon? Und dennoch sieht hier alles aus, wie neu.

Zu guter Letzt wächst im Garten noch eine bunte Mischung aus blühenden Wildblumen – ein Paradies für Insekten. Es brummt und summt an allen Ecken.

Wir freuen uns jeden Morgen, genau hier aufwachen und leben zu dürfen 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert